Microsoft Lists ist an sich kein komplett neues Produkt, sondern vielmehr eine umfassende Weiterentwicklung der guten alten SharePoint-Listen.

Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um ein Rebranding mit einigen neuen Features, sondern vielmehr um eine Neupositionierung innerhalb der Microsoft 365 Suite. Neben einer besseren Zugreifbarkeit für die Anwender sollen die Funktionen vor allem einfacher und weniger technisch werden.

Bisher wurden SharePoint-Listen – wie der Name schon sagt – als Teil von SharePoint angeboten. Da dieser aber zu Zeiten von Microsoft Teams für viele Nutzer nicht mehr direkt im Blickfeld steht, wird auch die Listenfunktion weniger wahrgenommen. Nutzer adaptieren stattdessen einfache Cloudlösungen wie AirTable, Asana oder monday.com.

Genau hier setzt Microsoft Lists an: Die bereits vorhandenen Funktionen der SharePoint-Listen sollen als bereits vorhandene Alternative angeboten werden. Durch die Integration in Teams, die Kachel im App Launcher, sowie der Smartphone App möchte Microsoft vor allem eine klare Nachricht senden: Du brauchst keinen externen Anbieter, um schnell und einfach gemeinsam an strukturierten Daten zu arbeiten.

Neben dem neuen Namen und der höheren Sichtbarkeit bekommen unsere Listen allerdings auch eine ganze Reihe neuer Funktionen – beispielsweise die Möglichkeit, einfache Regeln zu formulieren.

Natürlich würden sich solche Automatisierungen auch mit Power Automate abbilden lassen, doch hier kommt der zweite Aspekt von Microsoft Lists ins Spiel: Die Regeln in Microsoft Lists sind so einfach, dass sie kein technisches Verständnis oder Einarbeitung voraussetzen.
Wie bei allen neuen Microsoft-Produkten stellen wir uns nun wieder die Frage: Welche neuen Funktionen von Microsoft Lists taugen etwas und schaffen einen echten Mehrwert?

Smartphone App
Was hatten wir in der Vergangenheit nicht für einen Spaß mit Microsofts Versuchen, SharePoint Listen auf das Smartphone zu bringen. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass eine breite Tabelle auf einem kleinen Bildschirm im Hochformat eines der härteren Usability-Probleme ist. Die nun angekündigte Microsoft Lists App konzentriert sich auf die Lösung dieses Problems und sieht bisher sehr vielversprechend aus.

Mit Power Apps war es bisher schon möglich, Listen auf die Smartphones der Anwender zu bekommen. Aber auch hier war das Problem, dass normale Anwender bei der Erstellung einer solchen Power App sehr schnell von den vielen Möglichkeiten und Optionen überfordert waren.
 
Die moderne Kalenderansicht
Die moderne SharePoint-Oberfläche für Listen gibt es nun schon einige Jahre – aber die Kalenderansicht hat bisher auf sich warten lassen. Mit Microsoft Lists ändert sich dies nun endlich.

Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Jahren die Anforderung hatte, eine vorhandene Liste als Kalender darzustellen und in Teams einzubinden. Den Endbenutzern zu erklären „Hier habt ihr eine schöne und einfach zu verwendende Liste, aber sobald ihr auf den Kalender umschaltet sieht alles anders aus und wird auch komplett anders bedient“ stieß nachvollziehbarerweise auf wenig Verständnis. Mit der modernen Kalenderansicht schließt Microsoft endlich eine große Lücke.
 
Anpassbare Formulare
Einfach anpassbare Formulare ohne gleich auf Power Apps, 3rd-Party-Tools oder Entwicklung zurückgreifen zu müssen – darauf warte ich schon, seit ich 2008 mit SharePoint begonnen habe. Der Klassiker: Die Spalten sollten nicht untereinander, sondern nebeneinander angezeigt werden, um den Platz besser auszunutzen.

Neben dem Layout des Formulars ist eine typische, weitere Anforderung, einzelne Felder je nach Eingabe ein- bzw. auszublenden. Wird beispielsweise ein Prioritäts-Feld auf Hoch gesetzt, erscheint ein zusätzliches Feld für ein Deadline-Datum. Hier kommt das ebenfalls neue „Conditional Show/Hide“ ins Spiel.

Microsoft verwendet sowohl für die Anpassung der Formulare, Spalten und Ansichten als auch für das Ein- und Ausblenden die Syntax, welche wir allgemein als „Formatierungs-JSON“ bezeichnen. Normale Anwender werden damit aktuell noch überfordert sein, aber was wir bereits bei den Spaltenformatierungen gesehen haben und daher auch für die neuen Funktionen erwarten: Microsoft liefert Stück für Stück einfachere Editoren nach, wodurch man sich die Anpassung zusammenklicken kann und das daraus entstehende JSON nicht mehr zu Gesicht bekommt.
 
Regeln
Regeln dienen dazu auf eine Reihe von festgelegten Auslöser-Ereignissen automatisch zu reagieren und eine E-Mail zu versenden. Die Erstellung der Regel erfolgt in natürlichsprachlicher Form und ist dadurch denkbar einfach.

Spannend dabei sind vor allem die möglichen Auslöser-Ereignisse: Die Anforderung etwas zu automatisieren, nur wenn sich der Wert einer bestimmten Spalte ändert, ist nicht untypisch. Will man dies in Power Automate abbilden, so müssen wir etwas tricksen, da wir nur generell auf Änderungen an einem Listenelement reagieren können aber nicht direkt wissen, was sich geändert hat.
Das wir aktuell als Aktion in einer Regel E-Mails versenden können mag zunächst recht unspektakulär wirken. Wenn Microsoft hier in Zukunft aber weitere Aktionen nachliefert (z.B. ein anderes Feld setzten), erhalten wir eine echte Alternative zu Power Automate.
 
Kommentare und Chat zu Listenelementen
Für uns stellt dies das Killer-Feature schlechthin dar. Mit dem Noteboard-WebPart in der alten SharePoint-Benutzeroberfläche oder die „Änderungen an vorhandenen Text anfügen“-Funktion des mehrzeiligen Textfelds war etwas Ähnliches zwar schon möglich, aber es fühlte sich immer wie ein Workaround als wie eine Kommentarfunktion an.

Was wir nun erhalten ist eine echte Kommentarfunktion im Kontext jedes einzelnen Listenelements. Binden wir die Liste über die Microsoft Lists App in einem Teams Kanal als Tab ein, so können wir sogar innerhalb des Kanals über das betreffende Listenelement chatten.

Wir finden dies vor allem deshalb wertvoll, da damit endlich eine saubere Verbindung zwischen der strukturierten Arbeit mit Daten und der zugehörigen Kommunikation möglich wird. 
 
Weitere Funktionen
Weitere Funktionen wie die Listen-Homepage, Templates, das Teilen von Listen mit anderen Personen oder die Grid-Ansicht sind interessant, aber nicht unbedingt eine fundamentale Neuerung. Der offizielle Blogartikel (https://techcommunity.microsoft.com/t5/microsoft-365-blog/announcing-microsoft-lists-your-smart-information-tracking-app/ba-p/1372233) und das 17-minütige Produktvideo (https://www.youtube.com/watch?v=plshQSoe_OY) gibt einen vollständigen Überblick über die kommenden Funktionen.
 
Microsoft Lists vs. To-Do vs. Planner vs…
Mit Microsoft Lists haben wir wieder ein neues Tool bei dem wir die Frage beantworten müssen, wann man es verwendet oder auf eine Alternative wie Planner, To-Do, Project (for the Web) oder Project Oakwood zurückgreift. Jedes der vorhandenen Tools ist auf die Verwendung in speziellen Anwendungsfällen optimiert und es wird dementsprechend einfacher, wenn wir es nicht zweckentfremden.

Wenn wir Microsoft Lists als Aufgabenmanagement einsetzen, so können wir unsere „Aufgabe“ zwar flexibel um zusätzliche Felder erweitern, müssen aber andere Funktionalitäten nachbauen, die in anderen Aufgabenmanagement-Tools bereits fertig sind. Beispiele dafür wären eine automatische Erinnerung bei Fälligkeiten oder eine Übersicht über meine Aufgaben aus unterschiedlichen Quellen. 
Generell empfehlen wir: Wenn es eine Aufgabe ist sollte es auch in ein entsprechendes Aufgabenmanagement-Tool. Es spricht aber nichts dagegen, beispielsweise aus einer Planner-Aufgabe einen Microsoft Lists Listeneintrag zu verlinken, um ergänzende Informationen zu hinterlegen.
 
Und wenn es keine Aufgabe ist?
Geht es beispielsweise darum den Lagerbestand als Liste zu pflegen, ist ein Tool für Aufgabenmanagement wie To-Do oder Planner denkbar ungeeignet. In diesem Fall bleibt die Wahl zwischen Microsoft Lists, Project Oakwood oder einer vollwertigen Datenbank wie Microsoft SQL Server.


Wir empfehlen hier folgende einfache Überlegung: Wie groß wird die Liste und wer arbeitet damit? Wird die Liste primär von Menschen gepflegt und bleibt die Zahl der Listeneinträge und Spalten überschaubar? Dann ist Microsoft Lists gut geeignet.
Als grobe Richtwerte rechnen wir hier mit weniger als 5000 aktiven Listenelementen (die magische Zahl in den alten SharePoint Listen (https://support.microsoft.com/de-de/office/verwalten-umfangreicher-listen-und-bibliotheken-b8588dae-9387-48c2-9248-c24122f07c59?ui=de-de&rs=de-de&ad=de) und weniger als 40 Spalten. Dies sind keine harten Limits, sondern lediglich Erfahrungswerte. Mit mehr Wissen über SharePoint-Listen sind auch wesentlich höhere Werte möglich, sofern man sich an die zum Teil recht komplizierten Limits hält (https://docs.microsoft.com/en-us/sharepoint/install/software-boundaries-and-limits-0#list-and-library-limits).
Immer wenn die Datenmengen sehr groß oder vielleicht sogar automatisiert aus anderen Anwendungen verwaltet werden, kann man mit Microsoft Lists schnell an die Grenzen stoßen. Hier bietet es sich an, einen Gang höher zu schalten und die umfangreicheren, aber auch wesentlich anspruchsvolleren Möglichkeiten von der Power Plattform mit Project Oakwood oder sogar einer Datenbank mit der zugehörigen Softwareentwicklung zu nutzen.
 
Zum Mitnehmen, bitte!
Zusammengefasst soll Microsoft Lists ein Tool für normale Anwender sein, um strukturiert mit Daten zu arbeiten. Durch die Integration in Teams und einfach nutzbare Funktionen soll die Hürde dabei so niedrig wie möglich gesetzt werden – vor allem um die Abwanderung zu Konkurrenzprodukten außerhalb der Microsoft Cloud zu verhindern.
Neuerungen wie die Regel-Funktion oder die Anpassbarkeit von Formularen sind ein interessanter Start in eine neue Welt voller Möglichkeiten. Wir müssen uns dadurch nicht mehr zwangsläufig mit der Komplexität von Power Apps oder Power Automate auseinandersetzten, wenn wir lediglich einfache Anpassungen machen wollen.
Wir sind gespannt, welche weiteren Funktionen wir hier in den nächsten Monaten und Jahren bekommen werden.
 
Houston, we have a security problem! (Stand 01.09.2020)
Wir möchten noch auf ein Problem hinweisen, welches zumindest während der Erstellung dieses Artikels noch vorliegt: Wenn ich eine neue Liste erstelle und diese unter „Meine Listen“ speichere, so können auch andere Benutzer darauf zugreifen – selbst, wenn ich die Liste nicht für diese freigegeben habe.
„Meine Listen“ werden in der sogenannten „Personal Site“ gespeichert, in der auch die OneDrive- Dateien und -Ordner des Benutzers liegen. Eine historische Altlast ist dabei, dass die Gruppe „Everyone except external Users“ lesenden Zugriff auf diese Site hat.

OneDrive-Daten sind entsprechend sicher, da Microsoft hier standardmäßig die Berechtigungsvererbung explizit unterbricht und so dafür sorgt, dass niemand außer mir selbst darauf zugreifen kann. Bei neuen Listen unter „Meine Listen“ hingegen ist dies nicht der Fall, wodurch alle anderen Mitarbeiter Zugriff erhalten.

Die Funktion „Teilen“ suggeriert, dass die unter „Meine Listen“ angelegte Liste zunächst nur durch mich zugreifbar ist. Stattdessen genügt es derzeit, dass findige Anwender durch eine einfache Anpassung einer URL einen Blick in andere Listen werfen können:

Mit etwas Erfahrung in der Such-Syntax von SharePoint können wir uns sogar über Abfragen wie „Path:https://<tenant>-my.sharepoint.com/* AND contentclass:STS_List“ auch eine Übersicht aller vermeintlich geheimen Listen anzeigen.

Ich bin überzeugt, dass Microsoft dies demnächst beheben wird. Aber bis dahin sollten wir „Meine Listen“ mit Vorsicht verwenden.