Alter Wein in neuen Schläuchen?

Die Microsoft Deutschland hat in der letzten Woche die Hybrid Work Week veranstaltet. Vom 15. bis 20. November konnte man an dieser kostenlosen Veranstaltung in Form von kleineren Online-Workshops und auch Seminaren teilnehmen.

Es wurden die unterschiedlichsten Themen angesprochen, von der hybriden Führung / Hybrid Leadership, über Endpoint Strategien für hybrides Arbeiten bis hin zu Erfahrungsberichten von großen Unternehmen wie z.B. Henkel. Dabei habe ich mir ganz konkret die Frage gestellt, was denn jetzt nun Hybrid Work tatsächlich bedeutet?  In den vergangenen Jahren, ich würde mal behaupten konkret in den letzten drei, kursierten bereits die unterschiedlichsten Begriffe, bis wir nun bei Hybrid Work angekommen sind. Dabei fielen die Begriffe New Work, Modern Workplace, Remote Workplace, Modern Work und nun eben auch Hybrid Work.

Halten wir zunächst Folgendes Fest: Die Begrifflichkeit „New Work“ geht auf  Frithjof Bergmann zurück.  Dabei umschreibt er New Work als eine Art Sammelbegriff, mit dem alternative Arbeitsmodelle und – formen umschrieben werden. Der Ursprung des Theoriekonzepts der neuen Arbeit liegt hier bereits in den Siebzigerjahren.

Spinnen wir den Faden nun weiter, kommt zu dem New Work Ansatz auch die Technik hinzu. Schon länger spricht man im Begriff von neuen Arbeitsmodellen von Vertrauensarbeitszeit und dem Vertrauensarbeitsort. Wohlwissend, dass dies für bestimmte Tätigkeiten und Berufsgruppen immer nur bedingt funktioniert. Die Modelle habe ich bereits zu meiner Studienzeit kennengelernt und das liegt ebenso schon mehr als ein Jahrzehnt zurück. Die Begrifflichkeiten Modern Workplace und Remote Work haben erneut einen Aufschwung erfahren, als wir am Beginn der aktuellen Pandemie standen. Hierbei kamen oft die nachfolgenden drei Bereiche zum Tragen:

Dabei muss man sagen, das zumindest die Technik und der Raum bereits seit vielen Jahren in Form von HomeOffice zur Verfügung stehen bzw. zumindest mal darunter verstanden werden. An Relevanz gewannen im Verlauf der Zeit die Beschreibungen rund um das Themengebiet „Kultur“. Wir sprechen in diesem Zusammenhang immer auch von Adoption & Change innerhalb des Unternehmens, dem Wandel in der Unternehmenskultur und auch von Vertrauen  der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es lässt sich also eine gewisse Historie erkennen und auch die damit verbundene Entwicklung hin zu diesen drei Dimensionen.

Was hat das aber nun mit der Microsoft Hybrid Work Week zu tun und im Speziellen mit der Begrifflichkeit Hybrid Work? Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir die Begriffe ständig neu erfinden. Wenn wir das mal kritisch beleuchten, dann könnte man behaupten, dass sich der Markt hier immer wieder neu erfindet und die Hersteller dadurch versuchen ihre Produkte zu pushen. Microsoft beschreibt sich selbst in der Transformation von der Strategie „Cloud First“ über „Modern Workplace“ bis hin zum „Hybrid Work“ Unternehmen. So ganz neu ist das aber doch alles gar nicht, wenn wir das zuvor Beleuchtete genauer unter die Lupe nehmen. In der Keynote zur Modern Work Week und auch den nachfolgenden Sessions der Hybrid Work Week wurde immer wieder auf das nachfolgende Konstrukt verwiesen:

Dabei bekomme ich das Gefühl, dass die Microsoft hier eher auf ihre Produkte aus ist. Unbestritten ist, dass sie sich weder selbst als reiner Produkt-Anbieter sehen noch dies in der Wahrnehmung des Marktes sind.  Das Konzept wird immer runder, da sich neben den Software-Produkten auch Hardware-Optionen und Workshops im Anbieterportfolio befinden. Microsoft hat sich in den vergangenen Jahren zum Full-Service-Anbieter entwickelt.

Beleuchten wir das nochmals konkreter anhand der vier bzw. fünf Dimensionen:

  1. Space

Hier hat sich tatsächlich nicht viel getan. Bereits mit dem Neubau von Microsoft in München und den unterschiedlichen Workspaces wie z.B. dem Solo-Arbeitsplatz, dem Team-Space oder auch den Communication Huddles hat sich nicht viel verändert. Diesen Ansatz haben bereits viele Unternehmen umgesetzt bzw. befinden sich in einer Erprobung. Das gilt auch für das Hot-Desking Prinzip. Natürlich muss man festhalten, dass der Heimarbeitsplatz / HomeOffice immer mehr in den Vordergrund gerückt wird, stark bedingt durch die Pandemie und die politischen Entscheidungen und Maßnahmen, die hier getroffen wurden und werden.

  1. Kultur

Auch hier kreisen wir immer wieder um die selben Themen. Elementar sind das Vertrauen sowie das Involvieren aller Mitarbeiter in den Prozess der Arbeitsgestaltung. Die letztere Begrifflichkeit fasst man heute auch oft unter Change & Adoption Management. Was  immer konkreter wird ist der Bereich des New Leadership. Unbestritten muss sich in diesem „neuen“ Gedanken zur Arbeit auch die Führung von Mitarbeitern neu erfinden. Aber sind wir doch mal ehrlich – sprechen wir deshalb direkt von Hybrid Leadership? Die Aufgabe von moderner und zeitgemäßer Führung sind im Zentralen das Vertrauen sowie die Inklusion aller Mitarbeiter. Dabei werden wir immer zielorientierter und versuchen als Führungskraft das gesamte Team und somit jeden einzelnen Mitarbeiter, unabhängig von seinem Arbeitsort und der Arbeitszeit, einzubinden.

  1. Inklusion

Ein großes Wort und vor allem ein weit zu interpretierender Begriff. Allein hierzu gibt es die unterschiedlichsten Sichtweisen, um überhaupt eine Definition zu schaffen. Im Zusammenhang mit Hybrid Work sprechen wir davon, jede Person in die digitale Welt zu integrieren. Dabei unterscheiden wir natürlich zwischen physischen und digitalen Räumen. Es müssen dann entsprechende Tools zur Verfügung gestellt werden, damit die Personen an unterschiedlichen Orten miteinander verbunden werden können. Herausforderung ist also, dass alle Mitarbeitenden vereint werden, egal ob sie im HomeOffice sitzen, am anderen Ende der Welt oder sich in Teams in Teilen physisch treffen und die weiteren Mitarbeitenden digital einbinden müssen.

Ich denke, dass an dieser Stelle immer deutlicher wird, warum von Hybrid Work gesprochen wird und wie Microsoft sich hier einbringen kann.

  1. Digitale Kompetenz

Konkret beschreibt dieser Sammelbegriff, dass alle Mitarbeitende befähigt werden, die modernen Tools der Zusammenarbeit bedienen zu können. Hierfür muss dies fast spielend einfach sein. Wir sehen in vielen Microsoft-Produkten die Parallelität zu privat genutzten Applikationen wie Skype, Zoom oder auch WhatsApp. Nehmen wir hier nun die Inklusion und die Kultur mit, so entwickelt sich intern eine Unterstützerkultur, bei der sich die Mitarbeiter untereinander helfen und selbst für eine entsprechende Inklusion und digitale Kompetenz sorgen. Ich wage hier einen großen und mutigen Vergleich: Auch ich unterstütze meine Verwandtschaft regelmäßig beim Überwinden der technischen Hürden. Es gilt die Kluft des Alters und Verständnisses in der IT zu schließen. Dadurch entwickelt sich unsere digitale Kompetenz.

  1. Sicherheit und Compliance

Abgerundet wird das Konstrukt durch das Themengebiet „Sicherheit & Compliance“. Nichts geht über einen sicheren und im Unternehmenseinklang abgestimmten Arbeitsplatz. Von den unterschiedlichsten Standorten muss sicher auf Unternehmensressourcen zugegriffen werden. Die Möglichkeiten erscheinen hier fast endlos. Über bedingte Zugriffe, zur Anmeldesicherheit bist hin zu Passwort-Security ist alles mit dabei.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf das Produkte-Beispiel verweisen. Für mich ergibt das nämlich ein nachvollziehbares, aber nicht neues Anbieterkonzept der Microsoft.

Mit der Technologie, welche uns Microsoft in Form seiner Tools wie z.B. Microsoft Teams, zur Verfügung stellt, rückt der Space immer mehr in den Hintergrund. Anders gesagt rückt er in den Vordergrund, denn ich kann von jedem beliebigen Ort aus beteiligt werden. Die Kultur muss sich verändern, hierzu bietet die Microsoft in engen Abständen z.B. die PROSCI-Workshops an, die in Richtung des Change / Adoption Managements abzielen. New Leadership wird hier zur zentralen Formulierung. Bei der Inklusion werden ebenfalls Brücken geschlagen. Mit der Live-Transcription in Microsoft Teams können Sprachbarrieren sowie Anbindungsproblematiken gelöst werden. Auch das Integrieren von Personengruppen in Meeting-Räumen in Verbindung mit Remote Working / HomeOffice wird verbessert. Hierzu dienen uns die Teams Room Systems, sodass Kamera-Bilder und auch der Ton verbessert und optimiert werden. Es fühlt sich tatsächlich so an, als würden wir physisch beieinander sein, vor allem wenn dann digitale Whiteboards und Notizbücher genutzt werden. Die digitale Kompetenz und Unterstützerkultur leistet ihren Beitrag in der Inklusion. Keiner soll auf dem Weg der Digitalisierung verloren werden und wir schaffen digitales Verständnis in allen Altersgruppen. Abgerundet wird der Ansatz durch ein ordentliches Security & Compliance Konzept. Dadurch wird der Betrieb zu einem gewissen Maße sichergestellt und Zugriffe werden nur an autorisierte Personen erteilt.

Ganz ehrlich: Ich bin überzeugt und finde den Ansatz richtig. Auch die gelieferten Produkte und neuen Vorstellungen auf der Ignite zahlen in diesen Ansatz ein. Ich finde das sehr gut, wie hier IT in Verbundenheit mit New Leadership, Inklusion, etc. implementiert wird.

Alter Wein in neuen Schläuchen: Aber sind wir doch mal ehrlich – all das passiert nicht nur aus  den Gesichtspunkten des Gutmenschen heraus. Dahinter verbirgt sich immer noch ein Geschäftsmodell, auf das auch alle Microsoft Partner zu gewissen Teilen angewiesen sind. Microsoft verpackt hier in der dauernden Veränderung der Begrifflichkeiten ihre sehr coolen und funktionalen Produkte und Services immer wieder neu.

Auf den Punkt gebracht: Ich verstehe den Hybrid Work-Ansatz als Weiterentwicklung der bereits genannten New Work Bestandteile. Immer mehr gehen wir auf die Inklusion ein, in Form von unterschiedlichen Arbeitsorten und der technisch und kulturell optimierten Vereinigung von Mitarbeitenden. Neu Erfundenes finde ich hier im Grundansatz nicht direkt.

Kritisch betrachtet ist das nicht immer ganz glaubwürdig, vor allem dann, wenn im identischen Zeitstrahl Microsoft immer noch von „Cloud First“ spricht, wenn auch nur mit dem Aufbau und der Eröffnung des neuen Rechenzentrums in Schweden – Creating new opportunities for a cloud-first Sweden.

So ganz kann Microsoft dann doch nicht von dem eigentlichen Geschäftsmodell und der Cloud First-Strategie ablassen!

Weitere Links:
https://lans.co/MicrosoftHWW    |    https://lans.co/SwedenCloudFirst